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Warum verhalten wir uns immer wieder auf eine Weise, die uns selbst im Weg steht?
Und wieso fühlen sich manche Situationen so übertrieben intensiv an – obwohl wir „eigentlich“ wissen, dass alles okay ist?

Die Antworten darauf liegen oft tiefer, als uns bewusst ist. Die Schematherapie hilft, diese inneren Muster zu verstehen – und vor allem zu verändern. In diesem Artikel erfährst du, wie sie funktioniert und warum sie so wirksam ist.

Entstehung und Theorie

Psychologische Grundbedürfnisse

Wichtig ist, zu verstehen, dass eine kurze oder partielle Frustration der Grundbedürfnisse nicht pathologisch ist. Kinder und Jugendliche sind äußerst anpassungsfähig und verzeihen viele der kleinen und großen Fehler ihrer erwachsenen Bezugspersonen.

Die Frustration von Grundbedürfnissen prägt sich dann allerdings negativ auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlich aus, wenn die Bedürfnisse chronisch (z.B. aufwachsen in einer Familie mit Suchtstruktur) oder akut und massiv (z.B. Gewalterfahrungen) frustriert werden.

Eine weitere Möglichkeit der Frustration besteht darin, wenn die Grundbedürfnisse in Konkurrenz zueinander stehen. Ein Beispiel hierfür ist, wenn eine Jugendliche sich nicht mit ihren Freundinnen verabredet, damit sich die ängstlichen Eltern keine Sorgen machen müssen. In dem Fall ist es so, dass die Jugendliche sich in einem Bindungs-Autonomie-Konflikt befindet. Sie will ihren Eltern Sicherheit geben. Gleichzeitig möchte sie ihr junges Leben leben. Wie oben  beschrieben, ist es nicht der eine Abend, sondern die Ansammlung über die Jahre, die prägt und frustriert.

Warum wurde sich nicht gekümmert?

Wie entsteht ein Schema?

Nach der Theorie der Schematherapie führt eine chronische oder akute Frustration der Grundbedürfnisse zur Entwicklung von sogenannten Schemata. Dazu gehören z.B Traumatisierungen, Verwöhnung, Überprotektion. Aber auch Internalisierungen der erwachsenen Bezugspersonen ist möglich (verhaltenstherapeutisch: Lernen am Modell/ tiefenpsychologisch: Introjektion) durch die Bezugspersonen. Kinder können also etwas lernen, auch wenn sie es selber nicht erlebt haben. Beispielsweise wenn sie sehen, wie die Erwachsenen mit ihren eigenen Gefühlen umgehen. Vieles was Kinder lernen, läuft unbewusst ab.

Schemata entwickeln sich also aus der Interaktion zwischen Umwelt und dem Temperament des Kindes. Sie können sich bereits schon in der Adoleszenz abzeichnen. Wir können parallel mehrere Schemata in uns aufweisen. Wenn sie gleichzeitig auftreten, bilden sie die Grundlage für einen sogenannten Modus. Derzeit werden insgesamt 18 Schemata angenommen. Sie lassen sich in fünf Domänen einordnen.

Jeffrey Young – der Begründer der Schematherapie – definiert (maladaptive) Schemata wie folgt:

Welche Schemata gibt es?

Welche Modi gibt es?

Ein Modus besteht aus mehreren Schemata/ Schemaoperationen und kann bei (erwachsenen) Person plötzlich aktiviert werden (z.B. durch äußere Reize oder auch einen Gedanken). Ein Modus ist ein vorübergehender Zustand (state). Wohingegen ein Schema als zeitstabil angenommen wird (trait).

Kind-Modi

Kind-Modi repräsentieren in der Schematherapie die Gefühle und Bedürfnisse eines Menschen. Ein stark ausgeprägter Kind-Modus ist oft ein Zeitzeuge für deutliche Frustrationen von Grundbedürfnissen und irritieren Bindungserfahrungen in der Vergangenheit. Jeder Kind-Modus hat meist charakteristische Leitaffekte (z.B. Trauer oder Wut). In einem Modus erleben Erwachsene ihre „alten Wunden„. Wichtig: Kind-Modi hängen mit anderen Modi zusammen (z.B. Eltern-Modi). Es reicht also nicht, sich ausschließlich seinem „inneren Kind“ zu widmen.

Verletzter Kind-Modus

In der Schematherapie sind das „verlassene/missbrauchte„, das „einsame“ und das „abhängige/dependente“ Kind Ausprägungen vom verletzbaren Kind-Modus. Biografisch bekamen Kinder z.B. wenig Zuwendung und körperliche Nähe. Sie wurden scharf kritisiert, alleine gelassen oder wurden Opfer von Gewalt.

Als Erwachsene berichten Betroffene von starken Gefühlen wie Trauer. Sie können sich innerhalb von Beziehungen verlassen und hilflos fühlen. In der Psychotherapie finden sich ausgeprägte Kind-Modi z.B. häufig bei Personen mit Borderline-Struktur

Ärgerlicher Kind-Modus

Wenn Kinder eine Bedürfnisfrustration als unfair erleben, können sie mit Ärger reagieren. Ärger ist ein menschliches Gefühl und eine normale Reaktion. Betroffene, die diesen Modus aufweisen, wurden in der Biografie oft bei einem unangemessenen Ausdruck von Ärger bestraft, kritisiert oder beschämt. Es werden die Modi „ärgerliches“ und „wütendes“ Kind unterschieden.

Der unangemessene Ausdruck von Ärger kann zwischenmenschliche Probleme verursachen. Durch den starken Ärger-Ausdruck halten Betroffene ihre Mitmenschen auf Distanz und frustrieren perspektivisch eigene Bedürfnisse. In der Psychotherapie finden sich ärgerliche Kind-Modi z.B. bei paranoiden und narzisstischen Persönlichkeiten.

Impulsiver Kind-Modus

Die Kind-Modi „impulsiv“ und „undiszipliniert“ repräsentieren das Kind in seiner natürlichen Form: Orientiert an den eigenen Bedürfnissen, ungehemmt, ohne Rücksicht auf andere und ohne (soziale) Verantwortung. Das Kind hat eine geringe Frustrationstoleranz und kann kurzfristige Befriedigungen nicht aufschieben.

Erwachsene in diesem Modus können es z.B. schwer haben in der Arbeitswelt oder sie erleben Turbulenzen im sozialen Miteinander. Es fällt ihnen schwer sich an die vereinbarten Normen zu halten. In der Psychotherapie sind die Kind-Modi z.B. bei histrionischer Persönlichkeit, gelegentlich auch bei ADHS, zu beobachten.

Glücklicher Kind-Modus

Im Modus des „glücklichen Kindes befinden wir uns, wenn die Grundbedürfnisse gestillt sind. Das glückliche Kind ist aktiviert, wenn gleichzeitig kein maladaptives Schema aktiv ist. Wir fühlen uns dann weitestgehend widerspruchsfrei. Viele Menschen kennen diesen Moment als „Flow-Erlebnis“ oder als „Leichtigkeit“.

Erwachsener Modus

Die Schematherapie sieht die Stärkung des erwachsenen Modus als essenziell an. Er wirkt auf alle anderen Modi ein. Es geht also um das Aus– bzw. Nachreifen von Funktionen, um mit sich und anderen adäquat umzugehen. Der erwachsene Modus unterstützt die Kind-Modi bei der Erfüllung kindlicher Grundbedürfnisse. Bei den meisten Erwachsenen besteht der Modus in einer Form. Jedoch variiert er erheblich in der Effektivität, bzw. wie er die anderen Modi beeinflussen kann.

Strafende - und fordernde Modi

In den Ursprüngen der schematherapeutischen Theorie wurden strafende und fordernde Modi als „Eltern-Modus“ bezeichnet. Inzwischen zeigt sich, dass nicht nur die Eltern einen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nehmen. Zudem werden die eigenen Eltern oftmals als absolut defizitär und schädigend wahrgenommen. Oftmals haben erwachsene Kinder jedoch auch positive Verknüpfungen und Erfahrungen mit ihren Eltern gesammelt. Nicht selten führt dies zu Loyalitätskonflikten (z.B. in der Psychotherapie).

Stattdessen wird in den Sitzungen von „strafenden“ und „fordernden“ Modi gesprochen. Diese Modi sind jedoch mehr als nur „innere Kritiker„. Sie enthalten (subjektive) Erfahrungen wie z.B. Gefühle, Gedanken, Körperempfindungen, innere Bilder, Erinnerungen und Handlungen. Betroffene erleben diesen Modus oftmals sehr intensiv.

Wie entstehen die Modi?

Dysfunktionale strafende und fordernde Modi entstehen durch schädliche äußere Einflüsse. Hierzu gehören z.B. emotionaler, physischer, sexueller Missbrauch, Traumatisierungen oder auch Vernachlässigung in der Kindheit und Jugend. Meist wurden in der Vergangenheit zentrale Grundbedürfnisse dauerhaft frustriert. 

Kinder machen mit ihren Bezugspersonen facettenreiche Erfahrungen. Bezugspersonen weisen dabei „gute“ wie auch „schlechte“ Seiten auf. Die menschliche Psyche neigt jedoch dazu, sich potentiell gefährliche und unangenehme Zustände zu merken, um sie in der Zukunft vorzubeugen. Die gemachten Erfahrungen aus der Kindheit und Jugend halten bis ins Erwachsenenalter an. Aus dem damals Erlebten werden internalisierte Regeln abgeleitet. Daraus speisen sich die strafenden und fordernden Modi. Sie verfestigen sich, je häufiger sie im Alltag (unbewusst) aktiviert werden. Meist fehlt es Betroffenen im Erwachsenenalter später an Konzepten, die dabei helfen, selbstfürsorglich mit sich umzugehen. Betroffene behandeln sich dabei oft so, wie sie sich damals behandelt gefühlt haben (und wurden).

Wodurch unterscheiden sich beide Modi?

Im Alltag werden diese Modis oftmals im Allgemeinen als „innerer Kritiker“ bezeichnet. Die Schematherapie unterscheidet jedoch mehrere Modi, wenn es darum geht, hart zu sich zu sein.

Strafender Modus

Ist der strafende Modus aktiviert, erleben Betroffene Selbsthass, Selbstekel, extreme Selbstkritik und Selbstverachtung. Im Alltag bedeutet das: Betroffene gehen oft harsch und kritisch mit sich um. Sie nehmen an, eine Strafe verdient zu haben.

Betroffene weisen biografisch oftmals ein kritisches Umfeld auf. Die eigene Person, so wie das Verhalten, wurden von anderen abgewertet (direkt und indirekt). In der Erziehung bzw. Interaktion mit den Bezugspersonen wurde über Strafe eingewirkt, z.B. Liebesentzug oder Gewalt bei „Fehlverhalten“.

Leistungsfordernder Modus

In diesem Modus fokussieren Betroffene das Einhalten hoher Standards. Diese betreffen z.B. die Leistung in Sport oder Beruf. Aber auch die Erfüllung von hohen Anforderungen wie z.B. in den Bereichen Aussehen oder Status können eine wichtige Rolle spielen. Im Alltag bedeutet das: Betroffene setzen sich stark unter Druck und fühlen sich als Versager. Sie sind unerbittlich zu sich selbst.

Betroffene erlebten in ihrer Vergangenheit, dass der Ausdruck von Gefühlen und Bedürfnissen unerwünscht oder schwach ist. Die Bezugspersonen waren den eigenen Gefühlen gegenüber gehemmt bzw. in der Familie gab es Tabus/Regeln. Nicht selten entsteht hoher Druck z.B. in Akademikerhaushalten.

Emotional fordernder Modus

Dieser Modus ist dadurch gekennzeichnet, dass Betroffene das Gefühl haben, in Beziehungen etwas leisten zu müssen. Sie passen sich förmlich den Vorstellungen anderer an. Im Alltag entstehen z.B. Scham– und Schuldgefühle, wenn Betroffene versuchen, sich um eigene Bedürfnisse zu kümmern.

Betroffene wachsen oftmals mit instabilen Beziehungserfahrungen auf. Beispielsweise sind die Eltern selber psychisch belastet oder krank und die Kinder versuchen die überfordernden Situationen zu entschärfen (z.B. die Mutter entlasten, die sich für ihren alkoholkranken Mann aufopfert).

Bewältigungs-Modi

Vieles davon, was wir in unseren heutigen erwachsenen Beziehungen erleben, haben wir schon in früheren Jahren mit unseren Bezugspersonen erfahren. Wenn frühere Interaktionen in der Kindheit und Jugend schwierig waren, könnten sich daraus Schemata und Modi entwickelt haben. Meist ist es ein Zusammenspiel zwischen dem Temperament des Kindes und den äußeren Umständen (z.B. elterliche Reaktion auf die Bedürfnisse des Kindes). Die entstandenen Schemata und Modi sind – damals wie heute – verbunden mit belastenden emotionalen Zuständen. Sie spielen auch in aktuellen Beziehungen eine wichtige Rolle.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten mit der Aktivierung von Schemata und Modi umzugehen. Ein Schutzmechanismus der menschlichen Psyche ist die Entwicklung von Bewältigungsmodi. Sie versuchen die eigene Belastung abzumildern. Neben der „Vermeidungs-Modi“, werden in der Schematherapie die Modi „Erduldung“ und „Überkompensation“ angenommen. In der Vergangenheit dienten sie als Überlebensstrategien und haben gut funktioniert. In heutigen Beziehungen verursachen sie häufig zwischenmenschliche Konflikte und Leidensdruck. Sie können durch Kleinigkeiten aktiviert werden. Dabei wird in den meisten Fällen unbewusst bewältigt. Der Ausprägungsgrad der Bewältigung variiert individuell. Doch eins steht fest: Wir bewältigen nicht selten alte Konflikte in neuen Beziehungen.

Erduldungs-Modus

Die Erduldung wird zu einem Bewältigungsmodus, weil Betroffene sich ihren Schemata ergeben. Sie tun das, was sie schon immer getan und erfahren haben. Sie akzeptieren förmlich die dysfunktionalen Botschaften aus den strafenden- und Kind-Modi. Die Botschaften werden als Wahrheiten angenommen. Meist versorgen Betroffene die Bedürfnisse anderer Personen, anstatt sich um sich selbst zu kümmern.

Betroffene im Modus „Erduldung“ verhalten sich passiv und unterwürfig. Sie handeln – zum Teil – gegen die eigenen Interessen und Bedürfnisse, aus Angst vor Konflikten und Zurückweisungen.

Beispiele:

  • Handeln gegen eigene Interessen
  • Übergehen eigener Bedürfnisse
  • Unterwürfigkeit
  • Andere versorgen
  • Fühlt sich von anderen abhängig
  • Lässt sich schlecht behandeln

Vermeidungs-Modi

„Warum vermeidet der Mensch?“ ist eine der häufigsten Fragen in einer Psychotherapie. Die Antwort lautet: Als Menschen möchten wir gute Momente erleben und Unangenehmes meiden. Dies hat sich so aus unserer Geschichte herausentwickelt. Vermeidung hat unseren Vorfahren das Leben gerettet. Weglaufen vor einem großen Säbelzahntiger war besser, als stehen zu bleiben. Vermeidung war damals also eine (Überlebens-)Strategie.

Der Säbelzahntiger ist ausgestorben. Neue Bedrohungen sind z.B. das soziale Miteinander und das was wir in uns selbst erleben (z.B. Erinnerungen und Gefühle assoziiert mit schwierigen biografischen Momenten). Wir vermeiden sowohl im Verhalten, wie auch mental (z.B. geistige Handlungen in Form von Ablenkung). Vermeidung ist eine dysfunktionale Reaktion, weil wir unsere Probleme aufschieben und sie dadurch oft später wieder erleben bzw. sie nicht lösen können. Es bleibt alles beim Alten.

Die Folgen von Vermeidung sind vielseitig. Meist kann man die Vermeidung gut aus der eigenen Lerngeschichte ableiten. Sie war wahrscheinlich hilfreich in der Biografie.

Unmittelbar nach dem wir vermeiden, nehmen die unangenehmen Gedanken, Gefühle und Körpersensationen ab. Wir sind erleichtert. Dadurch lernen wir Vermeidung als eine bevorzuge Strategie zu nutzen.

Langfristig machen wir keine korrigierenden Erfahrungen. Wir nehmen z.B. an, dass unsere Gefühle etwas Schlechtes sind. Wir kommen viel seltener in die Situation unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Die schönen Momente des Lebens werden seltener. Häufig schränken wir uns sogar in der Lebensführung ein, meist begleitet von Leidensdruck.

Ziel der Vermeidung ist es zu verhindern, dass bestehende Schemata aktiviert werden. Mit ihnen assoziiert sind häufig Kind– und strafende/forderndeModi. Meist sind sie an unangenehme Erlebnisse gekoppelt (z.B. intensive Gedanken, Erinnerungen, Gefühle, Körpereindrücke etc.). Vermeidung wird zu einer Bewältigung, da oftmals gerade zwischen den beiden oben erwähnten Modi reichlich Konfliktpotential besteht.

In der Schematherapie werden verschiedene Formen von Vermeidungs-Modi unterschieden. Sie können sowohl bewusst wie auch unbewusst Anwendung finden. Je schwerer und früher in der Biografie ein Mensch frustriert und verletzt wurde, desto ausgeprägter sind die Vermeidungs-Modi. Das bedeutet, dass die Vermeidung sich z.B. schnell und intensiv im Alltag äußern kann. Vermeidung kann jedoch auch subtil/unbemerkt ablaufen.

Distanzierter Beschützer

Im Modus „distanzierter Beschützer“ erleben Betroffene ihre Gefühle nicht. Sie distanzieren sich (unbewusst) von ihnen. Sie sind wie durch ein Schutzschild von ihnen abgekapselt.

Beispiele:

  • Langeweile
  • Innere Leere
  • Rationalisierung
  • Dissoziation
  • Psychosomatik
  • Selbstschädigung

Vermeidender Beschützer

Im Modus „vermeidender Beschützer“ planen Betroffene meist bewusst ihre Handlungen. Oftmals wird der Alltag anhand von Vermeidungszielen gestaltet, um z.B. starke Gefühle zu umgehen.

Beispiele:

  • Orte und Personen meiden
  • Konflikte meiden
  • Prokrastination
  • Absagen
  • Zuhause bleiben
  •  Wenig erzählen

Distanzierter Selbstberuhiger

Im Modus „distanzierter Selbstberuhiger“ wird von Gefühlen und assoziierten Schemata durch Konsum oder Verhaltensweisen abgelenkt. Konsum und Verhalten sind oft „über dem Maß“.

Beispiele:

  • Übermäßiges Essen
  • Serien „verschlingen“
  • Zwanghaftes Verhalten
  • Drogen und Alkohol
  • Exzessives Arbeiten
  • Videospiele/lange Handyzeiten

Ärgerlicher Selbstbeschützer

Im Modus „ärgerlicher Selbstbeschützer“ werden durch den Ausdruck von Ärger (subjektiv) potentiell gefährliche Personen und die eigene schmerzende Gefühlswelt auf Distanz gehalten.

Beispiele:

  • Ablehnende Körpersprache
  • Abwehrende Kommunikation
  • Schimpfen
  • Aufregend über unveränderte Dinge
  • Misstrauen
  • Harte Grenzen setzen

Klagsamer Selbstbeschützer

Im Modus „klagsamer Beschützer“ wird die Nähe und Distanz in Beziehungen über Klagsamkeit reguliert. Durch den Fokus auf das Klagen werden Gefühle oder Probleme in den Hintergrund gerückt.

Beispiele:

  • Genervtheit
  • Klagen über Schmerzen
  • Über andere beschweren
  • Weinen
  • Häufig schlechte Laune
  • Pessimismus

Überkompensations-Modi

Die Überkompensation hat viele Gesichter. Schmerzhafte Schemata, und damit assoziierte Emotionen, werden bekämpft. Meist wird dann das gegenteilige Verhalten gezeigt. Aus einer anhaltenden Trauer wird z.B. eine explosive Wut. Aus Ohnmacht kann eine starre Kontrolle entstehen. Das Ziel ist bestehende Schemata zu verneinen. Der Unterschied zur Vermeidung ist, dass dem Erleben nicht ausgewichen wird. Es wird gerade zu „transformiert„.

(Narzisstische) Selbstüberhöhung

In der (narzisstischen) Selbsterhöhung wird das eigene Erleben von Unzulänglichkeit und Scham versucht, zu überspielen. Betroffene reagieren z.B. oft sehr allergisch auf Kritik.

Beispiele:

  • Setzt Regeln fest
  • Wenig Empathie für andere
  • Ist materialistisch
  • Auf sich bezogen
  • Fantasie von Grandiosität
  • Angeberisch/prahlerisch

Suche nach Aufmerksamkeit

In diesem Modus versuchen Betroffene die eigenen Gefühle von Minderwertigkeit und Bedeutungslosigkeit zu überspielen, in dem sie sich in Beziehungen in den Mittelpunkt stellen.

Beispiele:

  • Dramatisch im Verhalten
  • Übertrieben cool und abgeklärt
  • Oberflächlich im Auftreten
  • „Etwas drüber“ in der Stimmung
  • Extremes Flirten
  • Sexualisierend

Übermäßige Kontrolle

Betroffene versuchen sich von vermeintlicher (oder realer) Bedrohung zu schützen. Es sollen z.B. Kritik, Fehler, Schuldgefühle und potentielle Böswilligkeiten anderer verhindert werden.

Beispiele:

Subtyp Perfektion:

  • Erhöhte Aufmerksamkeit
  • Extreme Kontrolle
  • Grübeln

Subtyp Misstrauen:

  • Wachsam
  • Alles in Frage stellen
  • Sich bedroht fühlen

Aggressive Bewältigungs-Modi

Die Ausprägung reicht hier von mild bis extrem. Wobei starke Formen sich eher in der Forensik wiederfinden lassen. Diese Modi sind nicht immer alleine durch die Lerngeschichte zu erklären. Zum Beispiel kann ein Mangel an Empathie auch durch neurobiologische Ursachen erklärt werden.

Schikane und Angriff

In diesem Modus werden andere emotional, körperlich und sexuell geschädigt. Meist aus einer Angst vor der eigenen Demütigung.

Manipulation und Täuschung

Betroffene möchten meist selber gut dastehen. In diesem Modus kann es zum Beschwindeln, Lügen und Manipulieren kommen. Auch Schikane und Strafe können Ausprägungen dieses Modus sein.

Raubtier - und Killer-Modus

Personen in diesem Modus entwerten, quälen und bestrafen andere Personen in einer aktiven Form. In diesem Modus kann es z.B. zu gezielten Tötungen kommen.

Was wird konkret in einer Psychotherapie gemacht?

In einer schematherapeutischen Behandlung wird von Anfang an der erwachsene Modus gestärkt. Patient:innen lernen Verantwortung für das eigene Verhalten und Erleben zu übernehmen. Sie lernen beispielsweise einen anderen Umgang mit ihren eigenen Gefühlen. Ein weiteres Beispiel wäre der verstärkte Ausbau von Selbstfürsorge. Der erwachsene Modus ist gleichzeitig der wichtigste Modus, wenn es darum geht mit den anderen Modi zu interagieren.

Kindliche Modi sollen angemessen begleitet und versorgt werden. Das bedeutet, dass Patient:innen lernen ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu versorgen. Beispielsweise fällt es einigen Menschen schwer überhaupt zu erkennen, was sie brauchen oder was sie fühlen. Innerhalb der Schematherapie würde es z.B. bedeuten die eigene Introspektion weiter auszubauen. 

Strafende und fordernde Modi sollen deutlich eingegrenzt werden. Sie sind häufig der Grund für turbulente Gefühle und selbstschädigendes Verhalten (z.B. über die eigenen Grenzen gehen).

Die bestehenden Bewältigungsmodi sollen auf ihre Funktion geprüft und ggf. angepasst werden. Dies erlaubt Patient:innen das Erleben und Erlernen neuer Verhaltensweisen (z.B. sich und anderen gegenüber). Beispielsweise könnte eine Person, die sonst zwischenmenschliche Konflikte meidet, üben sozialkompetent zu kommunizieren, ohne die Situation frühzeitig zu verlassen.

Drei der zentralsten Techniken innerhalb der Schematherapie sind die therapeutische Beziehung, Stuhldialoge und Imaginationen. Die drei Techniken sollen im Folgenden kurz beschrieben werden.

Therapeutische Beziehung

Die therapeutische Beziehung gilt in der Schematherapie als Kernstück. Durch die bindungstheoretischen Annahmen, ist sie therapeutische Beziehung mehr als eine Voraussetzung für eine Behandlung. Sie ist vielmehr eine Intervention, die über den ganzen Behandlungszeitraum wirkt. 

Ein Charakteristikum der therapeutischen Beziehung ist die limitierte Nachbeelterung. Das Konzept der limitierten Nachbeelterung lässt sich auf Sándor Ferenczi (1873-1933) zurückführen. Er betonte die Wichtigkeit des therapeutischen Engagements und nannte es zu seiner Zeit „Nachnährung„. Fast zeitgleich betonte Franz Alexander die Wichtigkeit der korrigierenden emotionalen Erfahrungen.

Therapeut:innen geben Patient:innen das, was sie von „guten“ Elternteilen gebraucht hätten. Ziel im Behandlungsverlauf ist, dass Patient:innen lernen sich selber gut wahrzunehmen. Sie kümmern sich um ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle. Es gilt, sich gemeinsam von Co-Regulation zu einer autonomen Selbstregulation zu entwickeln. Patient:innen lernen mit der Zeit am Modell. Oder in den Worten von Ferenzci: „Ohne Sympathie keine Heilung“.

Stuhldialoge

Stuhldialoge sind eine wichtige Technik, wenn es darum geht innere Konflikte zu verstehen und über Lösungen nachzudenken. Beispielsweise können in einem Stuhldialog mehrere Modi von Patient:innen miteinander in eine Interaktion treten. Der Stuhldialog ist sehr flexibel und es existieren verschiedene Variationen. Patient:innen nehmen während der Übung auf verschiedenen Stühlen Platz. Sie argumentieren und fühlen aus der Sicht des jeweiligen Anteils. Gelegentlich nehmen auch Therapeut:innen an den Dialogen teil, in dem sie z.B. einer der Modi zeitweise übernehmen. Ziele bei der Technik sind beispielsweise die Erforschung aller Anteile. Vor allem werden unbewusste oder vermeidende Anteile fokussiert. Dabei geht es darum problematische Anteile zu reduzieren und die gesunden Anteilen zu stärken.

Imaginationen

In der Imagination (imagery rescripting) werden durch mentale Bilder gezielt Emotionen aktiviert und verändert. Hierfür stellen sich Patient:innen biografische schwierige Situationen (hot spots) vor dem geistigen Auge vor. Alle Erfahrungsebenen (wie z.B. auch Körperempfindungen) werden einbezogen. Oft sind die Augen dabei tatsächlich geschlossen. Eines der zentralen Ziele ist die Neubewertung früherer schwieriger Situationen. Durch Imaginationen ist es Patient:innen möglich, heute zu erkennen, was sie damals gebraucht hätten. Oftmals erleben sich Patient:innen hier im Kind-Modus. Darüber hinaus geht es dann darum diese Neubewertung auf das heutige Leben zu übertragen. Die Imagination verändert ihre Funktionalität im Laufe der Therapie (z.B. zur Diagnostik oder Konfrontation des strafenden Modus etc.).

Frei nach Jeffrey Young: „If you don’t do imagery work, your patient won’t get better.“

Weitere Abwandlungen

Die Schematherapie erfreut sich steigender Beliebtheit.  Inzwischen wird sie nicht mehr ausschließlich zur Behandlung von einzelnen Patient:innen genutzt. Sie wird beispielsweise auch für die Paarberatung – und Therapie genutzt. Darüber hinaus findet sie in der Unternehmensberatung zunehmend Anwendung.

Schemaberatung - Coaching

Nicht jeder, der sich mit seinen inneren Mustern auseinandersetzen möchte, braucht eine Psychotherapie. Viele Menschen spüren einfach, dass sie in bestimmten Lebensbereichen – zum Beispiel in Beziehungen, im Beruf oder im Umgang mit sich selbst – immer wieder an ähnliche Grenzen stoßen. Genau hier setzen die Schemaberatung und das Schemacoaching an.

Im Mittelpunkt stehen dabei die Grundideen der Schematherapie: Wir schauen auf typische Denkmuster, emotionale Reaktionen und Verhaltensweisen, die sich über die Lebenszeit hinweg entwickelt haben – oft als gut gemeinte Schutzmechanismen. Diese sogenannten „Schemata“ können uns heute aber manchmal mehr blockieren als unterstützen.

Während in der Schematherapie mit Menschen gearbeitet wird, die unter psychischen Erkrankungen leiden (z.B. Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen), richtet sich Schemacoaching an Menschen ohne klinische Diagnose, die sich persönlich weiterentwickeln möchten. Auch zeitlicher Rahmen und Zielsetzung unterscheiden sich: Coachingprozesse sind meist kürzer und lösungsorientierter angelegt.

In der Beratung oder im Coaching geht es darum, diese Muster bewusst zu erkennen, sie einzuordnen und neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Anders als in der Psychotherapie liegt der Fokus dabei nicht auf der Behandlung psychischer Störungen, sondern auf persönlicher Weiterentwicklung, Selbstreflexion und dem Wunsch nach Veränderung in konkreten Lebenssituationen.

Typischer Ablauf eines Schemacoachings

Ein Coachingprozess beginnt meist mit einer gemeinsamen Klärung: Worum geht es eigentlich? Was ist das Anliegen? Danach wird schrittweise an der Frage gearbeitet, welche inneren Muster dabei eine Rolle spielen – häufig mit Methoden aus der Schematherapie, wie z.B. dem Modus-Modell, Imaginationsübungen oder der Arbeit mit inneren Anteilen.

Ziel ist es, einen klareren Blick auf sich selbst zu gewinnen, alte Muster zu verstehen und neue, gesündere Wege im Denken, Fühlen und Handeln zu erproben. Dabei bleiben Klient:innen die ganze Zeit aktiv beteiligt – denn sie sind die Expert:in für das eigenes Leben.

Mein Angebot

Ich begleite Menschen in der Schemaberatung und im Schemacoaching dabei, alte Muster zu verstehen und neue Wege im Denken, Fühlen und Handeln zu entdecken. Ob es um Herausforderungen im Alltag, wiederkehrende Beziehungsthemen oder den Wunsch nach persönlicher Klarheit geht – dieser Prozess kann neue Perspektiven eröffnen und dabei unterstützen, sich selbst besser zu verstehen.

Wenn Sie der schemaorientierte Ansatz anspricht und Sie sich vorstellen können, auf diese Weise an Ihrem Thema zu arbeiten, dann melden Sie sich gerne bei mir. Ich biete Coachings und Beratungen derzeit online an – ganz individuell, wertschätzend und in einem sicheren Rahmen.

Kontaktieren Sie mich mit Ihrem Anliegen gerne unter: kontakt@gedankenausmblog.de

Quellen

Brunner, J. (2017). Psychotherapie und Neurobiologie: neurowissenschaftliche Erkenntnisse für die psychotherapeutische Praxis. Kohlhammer Verlag.

Flassbeck, J. (2020). Die langen Schatten der Sucht (Leben Lernen, Bd. 316): Behandlung komplexer Traumafolgen bei erwachsenen Kindern aus Suchtfamilien (Vol. 316). Klett-Cotta.

Grawe, K. (2004). Neuropsychotherapie. Hogrefe Verlag.

Handrock, A., Zahn, C. A., & Baumann, M. (2016). Schemaberatung, Schemacoaching, Schemakurzzeittherapie: mit E-Book inside und Arbeitsmaterial. Beltz.

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